Eine Initiative im Europäischen Parlament möchte die so genannte Panoramafreiheit beschneiden, welche die öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken im öffentlichen Raum erlaubt. Noch besteht aber wenig Grund zur Aufregung
Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat einem Antrag zugestimmt, der auf den ersten Blick ein Ende der sogenannten Panoramafreiheit bedeuten würde. Demnach sollte "die gewerbliche Nutzung von Fotografien, Videomaterial oder anderen Abbildungen von Werken, die dauerhaft an physischen öffentlichen Orten platziert sind, immer an die vorherige Einwilligung der Urheber oder sonstigen Bevollmächtigten geknüpft sein". Anlass hierfür war ein Bericht zur Evaluation des EU-Urheberrechts von Julia Reda, EU-Abgeordnete der deutschen Piratenpartei. Freiheit der Fotografie in Gefahr?
Die Änderung verursachte nicht nur in deutschsprachigen Medien einen regelrechten Aufschrei. Der Fotografenverband Freelens sagt nicht weniger als das Ende der professionellen Fotografie im öffentlichen Raum voraus, sollte der Plan jemals auf europäischer Ebene durchgesetzt werden. Es sei ein unmögliches Unterfangen, wenn sich ein professioneller Fotograf für jede Abbildungen von Denkmalen, Kunstwerken und Häusern eine Lizenz des Architekten oder des Bildhauers einholen müsse. Ähnlich sieht dies die deutsche Sparte der Wikipedia. Dort gründete sich bereits eine "Initiative für die Panoramafreiheit".
Die Unterstützer befürchten, dass die Wikipedia "sämtliche Bilder von neuzeitlichen Gebäuden, Statuen, Gedenktafeln, Schildern, Markierungen und sonstigen dauerhaft im öffentlichen Raum befindlichen Objekten, die in den davon betroffenen Ländern aufgenommen worden sind, ersatzlos löschen" müsste. Zudem erwarten zahlreiche Kritiker die Entstehung einer bedenklichen Rechtsunsicherheit, die ihrerseits sicher zu einer massiven Zunahme an Abmahnungen führen würde. Eine am Dienstag begonnene Petition, die das Europäische Parlament dazu auffordert, die "Freiheit der Fotografie" zu retten, hat derweil schon 16.500 Unterzeichner. Noch kein Gesetzentwurf
Der nun veränderte Teil, nur einer von über 500 Änderungsanträgen, in dem so genannten "Reda-Bericht" ist allerdings weit davon entfernt, Gesetzescharakter zu erlangen. Die Evaluation der EU-Urheberrechtsrichtlinie, mit der das Parlament Reda beauftragt hat, dient lediglich dazu, die Forderung des Parlaments gegenüber der EU-Kommission darzulegen. Auch die abschließende Form des Berichts, über den das Parlament im Juli abstimmt, stellt keinen Richtlinien- oder Verordnungsentwurf dar, der unmittelbar einen Gesetzescharakter erlangen könnte. Günther Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, will allerdings bis "etwa September diesen Jahres" einen Entwurf für ein modernisiertes europäisches Urheberrecht vorlegen.
Die Panoramafreiheit oder auch Straßenbildfreiheit ist eine Ausnahmeregelung im Urheberrecht, die es erlaubt, geschützte Werke im öffentlichen Raum bildlich darzustellen, ohne dafür die Erlaubnis des Rechteinhaber einholen zu müssen. So gestattet Paragraf 59 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG), Werke, die sich "bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben". Bei Bauwerken, die auch urheberrechtlich geschützt sein können, gilt dies jedoch nur für die äußere Ansicht. Ausnahmen möglich
Ohne diese Vorschrift dürfte praktisch kein Foto, in dem auch nur im Hintergrund ein Gebäude oder ein Kunstwerk zu sehen ist, ohne Zustimmung des Rechteinhabers veröffentlicht werden. In Deutschland gelten hier bereits für solche Fälle Einschränkungen, in denen etwa Kunstwerke nicht bleibend, sondern nur vorübergehend in der Öffentlichkeit zu sehen waren. So hatte bereits 2002 der Bundesgerichtshof die gewerbliche Verwertung von Bildern verboten, die den von Christo verhüllten Reichstag zeigten. In anderen europäischen Ländern ist die Panoramafreiheit bereits auf Basis gesetzlicher Regelungen stark eingeschränkt.