Während Facebook Maßnahmen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ankündigt, nehmen schwedische Aktivisten unter dem Namen "Researchgruppen" die Ermittlungen gegen anonyme Hetzer lieber selbst in die Hand.
"Neue Maßnahmen zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus" hatte das Unternehmen Facebook kürzlich für sein soziales Netzwerk angekündigt. Hasskommentare gegen Flüchtlinge und andere Menschen sollen so unterbunden werden. Auch eine Partnerschaft mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) werde angestrebt.
Wenn auch Facebook damit auf die Problematik mit offenem Rassismus im Netz reagiert, bleiben die Maßnahmen im Großen und Ganzen unkonkret. Einen anderen Weg gehen schwedische Aktivisten unter dem Namen "Researchgruppen", berichtet das Magazin Technology Review in seinem ausführlichen Report "Troll-Jäger". Enthüllung
Die freiwilligen Online-Ermittler und ihr Mitbegründer, Martin Fredriksson, haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Datenspuren anonymer Internet-Störenfriede zu folgen und ihre realen Namen publik zu machen. In kaum einem anderen Land sind solche Hacker derzeit so aktiv wie in Schweden. Bei ihrer bisher größten Trolljagd werteten Researchgruppen den Kommentarbereich der rechtsgerichteten Online-Publikation Avpixlat aus und destillierte daraus eine riesige Datenbank mit Inhalten und User-Informationen.
Ausgehend von diesen Daten gelang es, die eifrigsten Kommentatoren zu identifizieren. Einige Politiker und Funktionäre der aufstrebenden Rechtspartei "Sverigedemokraterna" waren darunter. Sie hatten rassistische, sexistische und anderweitig hetzerische Kommentare anonym gepostet. Retourkutsche
Als die Geschichte im Dezember 2013 über die Zeitung Expressen öffentlich wurde, gab es die Retourkutsche wütender Internetnutzer. Sie sahen die Meinungsfreiheit bedroht und verbreiteten die Privatadressen der Researchgruppen-Mitglieder. Eine Debatte über die ethischen Aspekte des Projekts tobte und selbst politische Gegner der Schwedendemokraten äußerten Vorbehalte. Das Beispiel zeigt, wie nah beieinander die Vor- und Nachteile der Anonymität im Internet liegen.
Schwedens Informationsfreiheitsgesetze verschaffen leichten Zugang zu persönlichen Informationen über fast jedermann, einschließlich der zehnstelligen Personennummer, der Adresse und sogar des zu versteuernden Einkommens. Zwar sind solche Ermittlungen wie beim schwedischen Troll-Recherchekollektiv in Deutschland nicht legal denkbar. Doch auch hier werden anonyme Neonazis enttarnt, wie der Fall der mutmaßlichen Betreiber des größten Neonazi-Forums, Thiazi.net, zeigt. Fokus auf offene Profile
Andere Initiativen wie etwa das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum in Berlin (Apabiz) durchforsten auch etliche Facebook- und Webseiten zu rechtsextremen Milieus. "Wir recherchieren, wie verschiedene rechte Gruppen miteinander verbunden sind und wer dort aktiv ist", sagt Projektmitglied Frank Metzger.
Man beschränke sich aus rechtlichen Gründen auf offene Profile. Persönliche Daten ins Netz zu stellen, sei rechtlich nicht haltbar. Doch was an Daten da ist, wird genutzt. So analysierte das Apabiz beispielsweise eine Liste von 11.000 Kunden rechtsradikaler Online-Händler, die Hacker zwischen 2005 und 2011 beschafft hatten.