Öffentliches WLAN begeistert junge Menschen im sozialistisch regierten Kuba. Mit einem begrenzten Angebot wollen die Castros die vormals isolierte Insel behutsam ins Internetzeitalter führen. Ob es zu einer vollständigen Öffnung kommt, ist fraglich.
Yovan Sánchez kann es kaum glauben. Der 20-jährige Kubaner kann seinen Onkel sehen, mitten in einem Park in Havanna schimmert am Abend das Antlitz seines Verwandten aus Tampa im US-Bundesstaat Florida auf dem Bildschirm seines Smartphones.
"Wir sprechen bald wieder", verspricht Sánchez seinem vor Jahren in die USA ausgewanderten Onkel, bevor beide auflegen. Dann erklärt Sánchez, was er über die öffentlichen Hotspots denkt, die die Behörden des sozialistischen Karibikstaates vor kurzem eingerichtet haben. "Das ist das beste, was sie jemals hier gemacht haben", schwärmt er. 35 WLAN-Hotspots in Kuba
Seit einiger Zeit baut der kubanische Staat den Internetzugang im Land langsam aus. Von Mitte 2013 an wurden landesweit Internetcafés eröffnet, seit Juli dieses Jahres gibt es nun 35 öffentliche WLAN-Hotspots auf der Insel Kuba. Das Bild in einigen Straßen der Hauptstadt Havanna kommt in diesen Tagen deswegen einer Revolution gleich in einem Land, das jahrelang faktisch "offline" war: Ganze Familien haben Software für Videoanrufe als neues Mittel entdeckt, um mit Verwandten im Ausland zu telefonieren.
Vor allem Jugendliche sitzen sogar bis in die Morgenstunden hinein mit aufgeklapptem Laptop auf dem Bürgersteig und surfen im Internet. "Das hat mein Leben verändert", sagt Randy Cantero in einem Park mit WLAN-Spot im Stadtbezirk Marianao. Früher habe er bloß einmal im Monat für eine halbe Stunde bei Bekannten ins Internet gehen können. 1,70 Euro für eine Stunde im Netz
Heute sei er im Schnitt etwa drei Stunden am Tag online. "Das ist Fortschritt", findet Cantero. Der 22-Jährige hat keinen festen Job, er verdingt sich nur gelegentlich als Malergehilfe. So bringt er jene 1,70 Euro auf, die er umgerechnet für eine Stunde im Netz braucht. Obwohl die Internetpreise deutlich billiger geworden sind, ist das noch viel Geld in einem Land, in dem der staatliche Durchschnittslohn bei knapp 18 Euro im Monat liegt.
Kuba hat fraglos ein schwieriges Verhältnis zum Internet. Trotz der Verbesserungen hat die Insel eine der schlechtesten Verbreitungsraten weltweit, nach Angaben der UN-Telekommunikationsagentur ITU waren 2013 nur 3,4 Prozent der Haushalte online, denn private Anschlüsse sind im Land nach wie vor weitgehend tabu. Nur einige Berufsgruppen erhalten eine Genehmigung für einen eigenen Internetanschluss zu Hause – in der Regel handelt es sich dabei um eine langsame Modemverbindung. Ohne Öffnung keine Besserung der Wirtschaft
Wegen der Zensur zahlreicher kritischer Websites stufte die Organisation Reporter ohne Grenzen Kuba in diesem Jahr zudem als "Feind des Internets" ein. In jüngster Zeit wächst aber bei den mächtigen Parteiinstanzen wohl die Einsicht, dass sie ihr Misstrauen gegenüber dem Internet aufgeben müssen, wenn Kuba wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen soll. So wurde vor Monaten ein offenkundig illegal aus dem Netz gezogenes Video zum Renner in Havanna, das einen Staatsfunktionär dabei zu zeigen scheint, wie er Offiziere der Staatssicherheit über die Vorteile des Internets belehrt.
Nach Ansicht von Beobachtern sind sich die Wirtschaftsreformer um Staatschef Raúl Castro inzwischen zwar bewusst, dass sie im globalen Wettbewerb aus ökonomischen Gründen nicht um eine Öffnung des Internets herumkommen – dies soll aber zugleich auf die Skepsis alter Parteikader stoßen, die sich um die Kontrollmöglichkeiten des Staates sorgen. Dies erklärte den nur zögerlich vorangehenden Infrastrukturausbau. Gelockertes Embargo
Die Annäherung an die USA stellt Kubas Nomenklatura nun auf die nächste harte Probe. Seit Anfang des Jahres hat die US-Regierung als Teil ihrer neuen Kuba-Politik mehrfach ihr Handelsembargo gegen den Karibikstaat gelockert, viele der Maßnahmen beziehen sich explizit auf die Telekommunikation. Zahlreiche US-Firmen aus der Branche dürfen nun einfacher Geschäfte mit Kuba machen.
Das rief bereits Skeptiker auf den Plan. Es gebe viele, die den Kubanern beim Thema Internet helfen wollten, sagte der frühere kubanische Vizepräsident José Manuel Machado Ventura im Juli. Man wisse aber, dass es dabei um ideologisch motivierte Übernahmeversuche gehe, warnte der 85-Jährige. Sein Fazit: "Wir müssen Internet haben, aber auf unsere Weise."