Die große Koalition will die Geheimdienste besser kontrollieren. Zunächst sollen BND und Verfassungsschutz jedoch 500 neue Mitarbeiter bekommen.
Die Bundesregierung will die Gefahren durch islamistischen und rechtsextremen Terror mit zusätzlichen Mitarbeitern bei den Geheimdiensten bekämpfen. Wie die Bild am Sonntag berichtet, bewilligte das zuständige Vertrauensgremium des Bundestages am Donnerstag dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Bundesamt für Verfassungsschutz die erforderlichen Mittel.
Demnach erhält der Auslandsgeheimdienst BND 225 zusätzliche Mitarbeiter. Das soll 22,3 Millionen Euro pro Jahr kosten. 125 Agenten würden für die Terrorismusaufklärung eingestellt. Der Verfassungsschutz erhält laut Bild am Sonntag einen zweiten Vizepräsidenten und 250 zusätzliche Stellen. 150 der neuen Mitarbeiter würden für die Bekämpfung des Rechtsextremismus eingestellt, davon 43 für die Observation. Zudem würden für die Bekämpfung des Islamismus Stellen entsperrt. Prinzipielle Einigung auf BND-Reform
Die Entscheidung zur Aufstockung der Mittel fiel damit bereits vor den verheerenden Terroranschlägen vom Freitagabend in Paris. Ebenfalls vor den Attentaten mit mindestens 129 Toten wurde bekannt, dass sich die große Koalition prinzipiell auf die Reform des BND geeinigt hat. Man habe sich grundsätzlich auf eine Art Spionageverbot für den BND in europäischen Ländern verständigt und auf eine verschärfte Kontrolle der Geheimdienste durch den Bundestag, verkündeten die Innenexperten der Koalitionsfraktionen, Clemens Binninger (CDU) und Burkhard Lischka (SPD), am Freitag. "Wichtig ist, dass wir den Satz der Kanzlerin 'Ausspähen unter Freunden geht gar nicht', endlich Realität werden lassen", sagte Lischka dem ARD-Sender RBB.
Im Zusammenhang mit den Ergebnissen des NSA-Untersuchungsausschusses fordert die SPD seit längerem eine Reform des Geheimdienstes. Dazu hatte die Bundestagsfraktion im vergangenen Juni erste Vorschläge gemacht. Die SPD stört sich vor allem am unreglementierten Abhören von Auslandskommunikation. Vor allem, wenn dies von deutschem Boden aus geschieht, etwa am Frankfurter Internetknoten oder über die Abhörstation im bayerischen Bad Aibling. Ausspähen von EU-Regierungen wird verboten
Sowohl das BND-Gesetz als auch das Gesetz zur parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste sollen laut RBB neu gefasst werden. Demnach wird dem BND die politische Spionage in europäischen Ländern und EU-Institutionen gesetzlich verboten. "Wir werden sicher europäische Regierungen und Institutionen schützen", sagte Binninger. Jüngst bekanntgewordene Fälle wie das Abhören des französischen Außenministers Laurent Fabius wären damit tabu. EU-Bürger sollen einen ähnlichen Schutz vor Überwachung durch den BND bekommen wie Deutsche.
Binninger und Lischka räumten ein, dass es noch Abstimmungsbedarf gebe. Die Funktionsfähigkeit des deutschen Auslandsgeheimdienstes dürfe nicht gefährdet werden, sagte Binninger der Nachrichtenagentur dpa. Die Präzisierung sei auch im Interesse des BND. Man werde per Gesetz klarstellen, "wer nicht überwacht werden darf". Lischka betonte, klare Vorgaben könnten den BND bei der Abwehr von Terrorismus, organisierter Kriminalität und illegalem Waffenhandel stärken. "Kanzleramt muss größere Spähaktionen genehmigen"
Größere Spionageaktionen sollen laut Lischka künftig durch den BND-Präsidenten angeordnet und vom Kanzleramt genehmigt werden. "Wir wollen, dass solche Maßnahmen anders als bisher nicht in einer Unterabteilung Technik entschieden werden, sondern von der BND-Spitze", ergänzte Binninger.
Eine vorherige Genehmigung von Abhöraktionen in Europa etwa zur Terrorabwehr durch die Geheimdienstkontrolleure des Bundestages soll es nicht geben. Das sei bei der oft großen Zahl von Suchbegriffen wie Telefonnummern oder Mailadressen nicht möglich, erklärte der Politiker. Vielmehr sollten die Aktionen nachträglich etwa anhand von Akten und Datenbanken kontrolliert werden. Binninger sagte, offen sei, ob dies durch das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) oder die G10-Kommission des Bundestages erfolge, die bei Deutschen jede Abhörmaßnahme genehmigen muss. Opposition kritisiert Pläne
Lischka sagte: "Wir wollen nicht, dass EU-Bürger grundlos ins Visier der Telekommunikationsüberwachung kommen." Das könne beispielgebend auch für strengere Regeln in anderen Staaten sein. Die Reformpläne sollten möglichst im kommenden Sommer den Bundestag passieren.
Der PKGr-Vorsitzende André Hahn (Linke) kritisierte in der Mitteldeutschen Zeitung die Pläne: "Es ist eigentlich schlimm, dass man Selbstverständlichkeiten in ein Gesetz schreiben muss - wie zum Beispiel, dass man europäische Nachbarn und Verbündete nicht ausspioniert." Der Grünen-Innenexperte Hans-Christian Ströbele forderte: "Ein 'Geheimdienstbeauftragter' darf die Aufklärung durch die Abgeordneten nicht ersetzten, sondern muss ihnen zur Seite stehen und verantwortlich sein."
Beide Gesetzentwürfe sollen laut RBB im Januar in den Bundestag eingebracht und bis zum Sommer kommenden Jahres beschlossen werden. Die Reform soll dann zum 1. Januar 2017 in Kraft treten.