Erst hat er Skype erfunden, jetzt ist Ahti Heinla auf den Roboter gekommen: Der soll schon nächstes Jahr auf deutschen Fußwegen herumfahren und Päckchen oder Lebensmittel ausliefern - und den Passanten weniger Angst machen als Lieferdrohnen.
Starship Technologies will Pakete nicht mehr per Briefträger, sondern mit einem selbstfahrenden Roboter ausliefern lassen. Im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern Amazon und Google, welche die Auslieferung per Drohne testen, will das estnische Startup bodenständig bleiben. Der neue Roboter nutzt Straßen und Bürgersteige, um die Bestellungen zu den Kunden zu bringen - egal, ob frische Lebensmittel oder Päckchen. Die Geschäftsführer sind zwei Männer, die schon mit einem anderen Startup erfolgreich gegen die große amerikanische Konkurrenz waren: Ahti Heinla und Janus Friis, Mitbegründer des Videodienstes Skype. Das Startup wirbt damit, dass vor allem der Weg aus dem Lager zum Kunden mit dem Roboter günstiger bewältigt wird als bei herkömmlichen Lieferungen. "Die letzte Meile macht oft den größten Teil der gesamten Lieferkosten aus", sagt Heinla. Er schätzt, dass die Kosten durch den Roboter auf zehn Prozent des heutigen Betrags gesenkt werden können.
Was liegt näher, als mit einem der Skype-Gründer über sein neues Unternehmen zu skypen? Ahti Heinlas Nickname bei dem Videodienst ist dezent, er heißt dort einfach "ahti". Status: "Follow me into the future." Na dann - ab in die Zukunft.
Wirtschaftswoche: Herr Heinla, wie kamen Sie darauf, Roboter zu bauen?
Ahti Heinla: Als ich noch für Skype gearbeitet habe, war ich Softwareentwickler. Nach meinem Ausstieg im Jahr 2008 habe ich Robotik als mein neues Hobby entdeckt. Mit einem Team von zehn Leuten habe ich an mehreren Wettbewerben teilgenommen, unter anderem für die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa. Dort haben wir zwar keine Preise gewonnen, aber eine Menge Erfahrung - und so konnte ich ein Team aufbauen, das sich gut mit Technik und Mechanik auskennt. Die Hälfte aus meinem Team sind übrigens ehemalige Skype-Mitarbeiter.
Wirtschaftswoche: Aber warum ausgerechnet Lieferroboter, das ist doch Zukunftsmusik!
Heinla: Ja, am Anfang haben wir auch über Science-Fiction nachgedacht. An etwas, das erst in 20 Jahren sein könnte. Wir dachten: Wird es dann immer noch so sein, dass jemand an meine Tür klopft, um mir ein Paket zu überbringen? Wahrscheinlich nicht. Ein Teil dieser Arbeit könnte automatisiert werden. Und dann haben wir gesehen, dass es schon eine Möglichkeit gibt, genau das schon jetzt umzusetzen. Nicht erst in 20 Jahren, denn die Technologie existiert bereits. Fußgänger ignorieren einen Roboter
Wirtschaftswoche: Für wann planen Sie die erste Zustellung in Deutschland?
Heinla: Wir sprechen bereits mit deutschen Unternehmen aus den Bereichen Logistik und Handel. Ich kann leider noch keine Namen der Firmen nennen. Aber wir versuchen, Ende 2016 auf den Markt zu kommen.
Wirtschaftswoche: Autonome Autos brauchen vermutlich noch Jahre, bis sie auf deutschen Straßen fahren werden. Die Technik ist kompliziert und rechtlich schwer zu regeln. Und Sie wollen so schnell einen Roboter auf den Markt bringen? Hier warten jede Menge Vorschriften auf Sie...
Heinla: Mit einem Roboter, der auf dem Bürgersteig fährt, ist das autonome Fahren viel einfacher als mit einem schnellen Auto. Aber Sie haben recht, die Gesetzgebung ist kompliziert, wir werden jede Gemeinde einzeln um Erlaubnis bitten müssen.
Wirtschaftswoche: Das kann dauern. Amazon und Google werden Ihnen möglicherweise zuvorkommen, die beiden amerikanischen Unternehmen wollen schon in den nächsten beiden Jahren Pakete automatisch anliefern - per Drohne.
Heinla: Da gibt es nur ein Problem: Menschen haben Angst vor Drohnen. Die Dinger sind laut und gefährlich, wenn sie mal abstürzen. Außerdem befürchten sie, fotografiert und ausspioniert zu werden.
Wirtschaftswoche: Diese Angst werden Passanten bei Ihrem Roboter auch bekommen. Er hat neun Kameras!
Heinla: Die braucht er auch, um autonom zu fahren. Wir schießen damit keine Fotos. Übrigens haben wir in Tests festgestellt, dass Fußgänger den Roboter eher ignorieren, wenn sie ihm begegnen.
Wirtschaftswoche: Da bin ich skeptisch, ob das in einer ruhigen deutschen Vorstadt so gelassen registriert wird, wenn ein kleiner Roboter über den Gehweg fährt. Haben Sie keine Bedenken, dass Ihre Maschine demoliert oder aufgebrochen wird, wenn sie so allein herumfährt?
Heinla: Unser Mitarbeiter, der bis zu 100 Roboter gleichzeitig beaufsichtigen kann, bekommt eine Info, wenn da jemand Schabernack treibt, und kann sich über Lautsprecher bemerkbar machen. Aber das kann bei Autos auch passieren, dass jemand mit dem Schlüssel den Lack zerkratzt.
Wirtschaftswoche: Glauben Sie, dass Sie mit Ihrem Roboter große Konzerne wie Amazon, DHL und Google ein bisschen ärgern können?
Heinla: Startups konkurrieren immer mit großen Unternehmen. Generell glaube ich, dass genügend Platz auf dem Markt ist, dass viele Unternehmen den Wettbewerb der Zustellung beim Kunden unter sich aufteilen. Aber mit Skype haben wir auch schon mit Google konkurriert und am Ende können wir sagen, dass wir das Spiel gewonnen haben.