Kann ein Museum die Urheberrechte an Fotografien von Gemälden haben, die längst gemeinfrei sind? Darüber streiten die Stadt Mannheim und die Wikimedia Foundation. Wikipedia will eine höchstrichterliche Klärung erzwingen.
Die Stadt Mannheim hat Klage gegen die Wikimedia Foundation und Wikimedia Deutschland eingereicht - wegen der Verwendung gemeinfreier Werke im Bildarchiv Wikimedia Commons. In der Klage geht es nach Angaben von Christian Rickerts, dem geschäftsführenden Vorstand von Wikimedia Deutschland, um Fotografien von 17 gemeinfreien Gemälden aus dem Bestand des Reiss-Engelhorn Museums in Mannheim.
Die Gemälde selbst sind gemeinfrei, weil alle Urheber bereits seit mehr als 70 Jahren verstorben sind. Nach Ansicht der Stadt Mannheim verstößt die Veröffentlichung der Fotografien bei Wikimedia Commons trotzdem gegen das Urheberrecht, weil die Stadt einen Fotografen angestellt habe, "der Zeit und Aufwand in die Aufnahmen" investiert habe. Die Aufnahmen wurden vom Hausfotografen der Reiss-Engelhorn-Museen angefertigt, der zum Zeitpunkt der Aufnahme Angestellter der Stadt Mannheim war.
Wikimedia widerspricht dieser Rechtsauffassung. Im Blogpost heißt es: "Die eigentliche Intention des urheberrechtlichen Schutzes von Werkschaffenden wird hier ad absurdum geführt. Dieser Schutz wird bereits über die Lebensdauer eines Menschen abgedeckt, ganze 70 Jahre nach Tod der Urheber. Nur weil frühere Generationen in ihren Schutzüberlegungen nicht vorausahnen konnten, dass es einmal Scanner und das Internet geben würde, kann nicht einfach eine Hintertür für die Verlängerung über den ursprünglich gewollten Schutz hinaus konstruiert werden", sagte Christian Rickerts zu Golem.de. In vielen Ländern Europas seien Digitalisate gemeinfreier Werke automatisch ebenfalls gemeinfrei, heißt es in einem Statement des Vereins. In Deutschland sei diese Frage bislang nicht höchstricherlich geklärt. Diese Klärung will Wikimedia nun offenbar erzwingen. Leistungsschutzrecht statt Urheberrecht
In dem Streit geht es nicht um einen urheberrechtlichen Schutz der verwendeten Fotografien an sich. Denn eine bloße fotografische Reproduktion von Gemälden wird in der Regel nicht ausreichend sein, um eine ausreichende Schöpfungshöhe für einen eigenen urheberrechtlichen Schutz zu gewährleisten. Die Stadt Mannheim und das Reiss-Engelhorn-Museum dürften sich in ihrer Klage demnach auf ein Leistungsschutzrecht an den Fotografien berufen. Leistungsschutzrechte für Fotos gelten unabhängig von einer eventuellen urheberrechtlichen Schöpfungshöhe für 50 Jahre nach dem Tod des Urhebers.
Das Museum hat bereits im Sommer mit einer Abmahnung versucht, die Depublikation der Bilder in Wikimedia Commons zu erwirken. Eine Sprecherin des Museums sagte zu Golem.de: "Wir haben uns zunächst mehrfach vergeblich selbst an Wikimedia gewandt. Wir haben hierauf jedoch keine Antwort erhalten. Daraufhin haben wir uns entschieden, die Sache an unseren Rechtsbeistand zu geben. Auch dieser hat sowohl die Wikimedia Foundation Inc. als auch die Wikimedia Deutschland e. V. mit verschiedenen Schreiben auf die Rechtsverletzungen aufmerksam gemacht und darum gebeten, die fraglichen Fotografien aus ihrem Angebot zu entfernen."
Auch einige Nachnutzer der Bilder wurden wegen der Verwendung der Bilder abgemahnt - nach Angaben von Wikimedia geht es unter anderem um den Radiosender Detektor.fm. Dem Museum geht es nach eigenen Angaben darum, die kommerzielle Nachnutzung der Bilder kontrollieren zu können. Eines der betroffenen Werke ist ein Porträt von Richard Wagner. Der Eintrag zu dem Bild bei Wikimedia Commons enthält derzeit einen Warnhinweis, der auf das laufende Verfahren hinweist. Wikimedia prüft die Klage derzeit nach eigenen Angaben.