Es ist leicht verdientes Geld: Anwälte oder Konkurrenten mahnen Onlinehändler wegen kleiner Fehler in Angeboten ab und kassieren kräftig Gebühren. Der E-Commerce-Verband fordert jetzt ein Einschreiten des Gesetzgebers.
Der Teufel steckte im Detail. Ein Onlinehändler hatte einen Sonnenschirm mit Ständer und Betonbodenplatte abgebildet, im Text jedoch deutlich darauf hingewiesen, dass die Betonplatte nicht zum Angebot gehört. Doch ein Konkurrent hatte offenbar nur auf diese Chance zum Abkassieren gewartet: Er mahnte ihn kostenpflichtig wegen irreführender Angaben ab - und bekam vor Gericht damit sogar recht.
Was viele Händler dabei besonders aufregt: Diese Abmahnung war kein Einzelfall, sondern offensichtlich Teil eines systematischen Geschäfts. Seit fast zwei Jahren lässt dieser Händler kaum eine Gelegenheit aus, Konkurrenten wegen formeller Fehler auf ihrer Website oder unklarer Angebotsbeschreibungen abzumahnen. Zahlreiche kleinere Händler mussten bereits zahlen. Komplexe Rechtslage macht es Abmahnern leicht
"Durch die immer komplexere Rechtslage im Onlinehandel haben professionelle Abmahner ein leichtes Spiel. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen haben Schwierigkeiten, die überbordenden Formalismen im Onlinehandel rechtssicher zu erfüllen", bestätigt Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh). Das macht es für Abmahner, darunter Anwaltskanzleien, Abmahnvereine und Händler, einfach, aus kleinen Verstößen risikolos Profit zu schlagen - und zum Teil hohe dreistellige Beträge in Rechnung zu stellen.
Auch der europaweit tätige Händlerbund, der mehr als 40.000 eher kleinere Onlinehändler vertritt, beklagt schon seit längerem den Missbrauch von Abmahnungen. In einer Studie zum Thema Abmahnungen hat der Händlerbund herausgefunden, dass im Jahr 2014 fast jeder dritte Händler von Abmahnungen betroffen war. Jede zweite Abmahnung hatte dabei die Verletzung des Wettbewerbsrechts allgemein zum Gegenstand. Massenhafte Abmahnungen
Welchen Umfang diese Abmahntätigkeit annehmen kann, zeigt ein aktueller Fall, den das Oberlandesgericht Hamm verhandelt hat. Eine Händlerin hatte eine einstweilige Verfügung gegen einen Hersteller von Briefkästen erwirkt, der wettbewerbswidrig die Kennzeichnungen "umweltfreundlich produziert" und "geprüfte Qualität" verwendete.
Nun sah sie wohl ihre Chance, daraus Kapital zu schlagen. Schon am nächsten Tag ermittelte sie 50 Onlinehändler, die diese Kennzeichnungen noch in ihren Angeboten stehen hatten. Sie beauftragte einen Anwalt, der verschickte massenhaft Abmahnungen - letztlich waren es dann mehr als 200 Stück.
Richter gegen Abmahnerin
In diesem Fall jedoch schoben die Richter der Abmahnerin einen Riegel vor. Der Umfang der Abmahnungen - insgesamt standen laut Gericht Anwalts- und Gerichtskosten von mehr als 250.000 Euro im Raum - stünden in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zur eigenen wirtschaftlichen Betätigung (Aktenzeichen 4 U 105/15). Das Vorgehen diene vorwiegend dazu, einen "Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen" und sei deshalb missbräuchlich.
Auch die Bundesregierung hat das Problem erkannt und hat versucht, durch eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) Abhilfe zu schaffen. So schreibt das Bundesjustizministerium in der Begründung zum ersten Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, die von den Abmahnern regelmäßig verlangten Erstattungen von Aufwendungen stellten "für die insbesondere betroffenen Kleinunternehmer und Existenzgründer eine große Belastung dar, die häufig existenzbedrohende Ausmaße annimmt". Auch weist das Ministerium darauf hin, dass es für abgemahnte Händler im Einzelfall sehr schwer sei nachzuweisen, dass die Abmahnung missbräuchlich sei. Neufassung des UWG enttäuscht Händler
Doch was schließlich in der Neufassung des UWG, die der Bundestag im November beschlossen hat, geändert wurde, hat die Betroffenen enttäuscht. Wieder einmal sei versäumt worden, den zunehmenden Abmahnmissbrauch einzudämmen, klagt der E-Commerce-Verband bevh. In einem Forderungspapier, das dem Handelsblatt vorliegt, hat der Verband nun seine Kritik am Gesetz zusammengefasst. "Wir fordern den Gesetzgeber auf, endlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um den Missbrauch des Abmahnwesen zu stoppen", so Hauptgeschäftsführer Wenk-Fischer.
Die Hauptforderung: Der finanzielle Anreiz für den Abmahner müsse reduziert werden. Zumindest bei der ersten Abmahnung müssten die Gebühren, die Anwälte vom Beklagten verlangen können, begrenzt werden, im besten Fall solle die erste Abmahnung sogar kostenfrei sein. Entsprechende Gesetzesentwürfe gab es in der Vergangenheit schon, sie wurden aber nie umgesetzt. Auch fordert der bevh, im Gesetz klarer zu formulieren, wer überhaupt Mitbewerber ist und damit berechtigt ist, einen Händler abzumahnen. Dies wird bisher sehr weit gefasst.