Die Opposition warnte zur 1. Lesung des Entwurfs des Bundeskabinetts für mehr Rechtssicherheit von Hotspot-Anbietern vor einem netzpolitischen Rückschritt. Auch die Koalition sieht Korrekturbedarf, wobei die Richtung aber vage bleibt.
Die Bundesregierung hat sich mit ihrem Vorhaben, WLAN-Anbieter nur unter bestimmten Umständen von der Störerhaftung zu befreien, im Bundestag keine Freunde gemacht. Vertreter aller Fraktionen machten zur 1. Lesung des Gesetzentwurfs am Donnerstagabend deutlich, dass dieser korrigiert werden müsse. Zu einem echten Schlagabtausch kam es aber nicht, da die Reden wegen der vorgerückten Stunde nur zu Protokoll gegeben wurden. Steine auf dem Weg zu offenen Funknetzen
Die Linke Halina Wawzyniak appellierte an Schwarz-Rot, den vom Bundesgerichtshof (BGH) fabrizierten "Unsinn" der Fremdhaftung endlich komplett abzuschaffen. Erfreut seien allein große Anbieter wie die Deutsche Telekom, "die nun ihre teuren Produkte schön verkaufen können", ärgerte sich Wawzyniak. Schließlich würden insbesondere Privatpersonen von den vorgesehenen Auflagen für offene drahtlose Netzwerke verunsichert. Besonders schlimm sei, dass die Regierung Freifunkern, die gerade etwa Flüchtlingsheime mit dringend benötigtem Internet per WLAN versorgten, noch mehr Steine in den Weg legen wolle. Wawzyniak empfahl der Koalition, den bislang von ihr abgelehnten Vorschlag der Opposition zu dem Thema zu lesen.
Die Regierung wolle offenbar nur dafür sorgen, "dass es bald weniger statt mehr offene Funknetze gibt", monierte Grünen-Netzexperte Konstantin von Notz. Damit habe sie sich heillos im "Neuland" verlaufen und drohe offen gegen EU-Recht sowie eventuell auch gegen das Grundgesetz zu verstoßen. "Wir müssen nacharbeiten"
Hansjörg Durz meldete für die CDU/CSU-Fraktion noch "intensiven Diskussionsbedarf" an. Es werde zu berücksichtigen sein, ob der angestrebte Zweck tatsächlich erfüllt werde und ob legale Geschäftsmodelle beeinträchtigt würden. Die Union wolle "die Auswirkungen auf sämtliche Dienste der Branche unter die Lupe nehmen" und für ein "ausgewogenes System an Verantwortlichkeiten" sorgen. Dabei sei auch das BGH-Urteil zu Websperren einzubeziehen.
"Wir müssen nacharbeiten", ergänzte der CDU-Abgeordnete Axel Knoerig. Öffentliche WLAN-Angebote sollten praktikabel sein, aber auch Datensicherheit und Urheberrechtsschutz berücksichtigen. Zudem seien "bereits getätigte Investitionen unserer Wirtschaft" in solche Systeme zu sichern. Auch sollten Sicherheitsbehörden für Ermittlungen zugreifen können.
"Betreiber von öffentlichen WLANs dürfen künftig nicht mehr für fremde Rechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden", forderte Marcus Held von der SPD-Fraktion. "Die zahlreichen Freifunkinitiativen dürfen wir nicht im Regen stehen lassen." Die Störerhaftung müsse daher endlich abgeschafft werden. Der SPD-Netzexperte Lars Klingbeil hofft, auch den Koalitionspartner davon überzeugen zu können, "dass die Ängste vor offenen WLAN-Netzen unbegründet sind" und es "dadurch nicht zu massenhaften Urheberrechtsverletzungen kommt". Bedenken der EU-Kommission, Kritik von Freifunkern
Die EU-Kommission hat in einer ersten Analyse des Gesetzentwurfs zu bedenken gegeben, dass die vorgesehenen Pflichten für Hotspot-Betreiber sowie die geplante verschärfte Haftung für "gefahrgeneigte Dienste" gegen die E-Commerce-Richtlinie verstoßen könnten. Zudem würden die Anbieter in ihrer Berufsfreiheit beschränkt, heißt es in dem Papier, das Netzpolitik.org im Wortlaut veröffentlicht hat. Dies sei mit der europäischen Grundrechte-Charta nicht vereinbar.
Der Förderverein freie Netzwerke beklagte, dass der Entwurf im Gegensatz zu den im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Zielen nicht zu mehr Rechtssicherheit für Funknetzwerke führen und Deutschland bei der Digitalisierung weiter ausbremsen werde. Selbst Urheberrechtsverletzungen wären damit nicht besser verfolgbar.