Die 2013 von Computerwissenschaftlern bewiesene 50 Jahre alte Kardison-Singer-Vermutung zieht auf vielen Gebieten in die Praxis ein, sei es in Physik, Mathematik, Netzwerktechnik und sogar beim berühmten Problem des Handlungsreisenden.
Eigentlich wollte Daniel Spielman von der Yale-Universität Netzwerke optimieren. Er wollte sie "ausdünnen", ohne dass sie an Funktionalität verlieren. Ein Kollege machte ihn darauf aufmerksam, dass ihn sein Optimierungsproblem sehr an eine uralte Vermutung erinnert, die unter dem Namen Kardison-Singer-Vermutung in die Geschichte der Quantenmechanik eingegangen ist. Es geht dabei um eine Fragestellung, die schon Paul Dirac in seinem berühmten Werk "Die Prinzipien der Quantenmechanik" aus dem Jahr 1930 aufgeworfen hatte: um Wahrscheinlichkeiten, wie man von einer Untermenge von bekannten Quantenzuständen auf alle Zustände schließen kann.
Die amerikanischen Mathematiker Richard Kardison und Isadore Singer haben das Problem dann 1959 formalisiert: Können reine Zustände abelscher Von-Neumann-Algebren eindeutig auf solche nichtabelscher Von-Neumann-Algebren ausgeweitet werden? In vielen mathematischen Disziplinen taucht dieses oder ein ähnliches Problem auf, in dem Zusammenhang spricht man oft kurz von C*-Algebren.
Spielman brauchte fünf Jahre, um im Juni 2013 zusammen mit seinem Postdoc Adam Marcus und dem Studenten Nikhil Srivastava den theoretischen Beweis der Kardison-Singer-Vermutung vorzulegen. Sie und viele andere Wissenschaftler haben inzwischen Methoden entwickelt, um diesem esoterisch klingenden Problem praktischen Nutzen abzuringen. Anfang 2015 wurden viele mögliche Konsequenzen beschrieben. Unter anderem folgte später auch eine Veröffentlichung zum Thema, wie man die nunmehr bewiesene Kardison-Singer-Regel für das berühmte Problem des Handlungsreisenden gebrauchen kann. Es hat ein wenig gedauert, doch jetzt ist es auch in der Computerszene angekommen, etwa bei Wired: Outsiders crack a 50-year-old-math-problem.
Den Anstoß dazu gab, wie gesagt, einst Paul Dirac vor 85 Jahren. Dirac ließ sich dabei von der Idee der "Schönheit in der Natur und der Physik" leiten. Wer Dirac zu dem Thema mal selber hören möchte, der kann sich seine spannenden Beiträge anläßlich der Nobelpreisträger-Tagungen in Lindau in der inzwischen schön ausgebauten Mediathek der Veranstalter anhören, etwa aus dem Jahre 1965 zu "The Foundations of Quantum Mechanics" oder 1979 zu "Basic Beliefs and Prejudices in Physics". Im nächsten Jahr treffen sich übrigens wieder die Physiker (mit vielen Chemikern dabei) zum 66. Meeting, darunter aus Deutschland Johann Deisendörfer, Theodor W. Hänsch, Stefan Hell, Hartmut Michel und Klaus von Klitzing. Mit dabei sind auch der Brite Brian D. Josephson und der Norweger Ivar Giaever, die schon vor 40 Jahren zusammen mit Paul Dirac an dem Treffen teilgenommen hatten.