Skripte erleichtern Studenten die Arbeit. Doch ein von der VG Wort erstrittenes Urteil hätte Unis, die sie herausgeben, zu einem enormen Mehraufwand gezwungen. Schon wurde das Ende der beliebten Studierhilfe befürchtet, doch es gibt Aufschub.
Wenn zuletzt über das Urheberrecht an Universitäten gesprochen wurde, dann meistens, weil irgendwer von irgendwem abgeschrieben hatte, ohne das ordentlich kenntlich zu machen. Für viele Studenten war das erheiternd, direkt betroffen waren sie aber kaum. Nach einem Urteil, das die Verwertungsgesellschaft Wort, kurz VG Wort erstritten hat, wurde befürchtet, dass sich das ab Januar 2016 ändern würde - und eine neue, völlig anders geartete Diskussion um Urheberrechte beginnen würde. Nachdem Hochschulen Alarm geschlagen haben, gab es jedoch eine Einigung zwischen der Kultusministerkonferenz und der VG Wort: Die Einzelerfassung wird im kommenden Jahr noch nicht nötig.
Die VG Wort, ist ein Zusammenschluss von Autoren und Verlagen, der Tantiemen aus Zweitnutzungsrechten einnimmt und an die Urheber weitergibt. Wenn in einem digital von der Uni bereitgestellten Skript zu einer Vorlesung urheberrechtlich geschützte Zitate oder Quellen verwendet wurden, konnten die Unis das bisher mit recht geringem Aufwand pauschal abrechnen. Die VG Wort aber hat gerichtlich erstritten, dass künftig jede Seite aus einem Skript einzeln gemeldet und bezahlt werden muss. Das gilt selbst dann, wenn das Skript vom Dozenten passwortgeschützt nur einer Handvoll Seminarteilnehmern zugänglich gemacht wird.
Das klingt erst einmal staubtrocken, die Regelung hätte aber für Dozenten und Studenten gleichermaßen unangenehme Folgen gehabt. "Was da auf uns zukommt, wird mit einem riesigen bürokratischen Aufwand verbunden sein", sagte Elektrotechnik-Professor Georg Passig von der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI). Er hat vor einigen Wochen schon in einem vielfach geteilten Blog-Beitrag im Tumblr Techniktagebuch auf das Problem hingewiesen. Literaturliste statt digitales Skript
Denn Dozenten und Mitarbeiter der Unis müssten wegen der neuen Regelung nicht nur alle digital verfügbaren Skripte nach Quellen durchforsten, die dann an die VG Wort gemeldet werden müssen. Der Paragraf 52a Urheberrechtsgesetz verlangt auch, dass zu jeder Quelle recherchiert werden muss, ob Studierende sie nicht auch anderweitig online finden könnten. "Ist eine Quelle elektronisch verfügbar, dann hat sie in meinem Skript nichts verloren und ich darf den Studierenden an der Stelle nur einen Link präsentieren", sagte Passig.
Für Studenten würde das bedeuten: Skripte werden zerrupft, weil Dozenten statt Zitaten, Diagrammen oder anderen Werkauszügen nur noch einen Link eintragen dürfen. Oder noch schlimmer: Dozenten stellen wegen des hohen Arbeitsaufwands und der unsicheren Rechtslage gar kein Skript mehr zur Verfügung. Passig schrieb in seinem Blog von Kollegen, die "auf die Herausgabe eines Skripts in elektronischer Form lieber ganz verzichten, nur Literaturlisten verteilen und in der Vorlesung komplett auf das gute alte Vorlesen setzen" würden.
Meldeverfahren werden überprüft
Wie viel Arbeit Universitäten und ihre Mitarbeiter nach dem neuen Meldeverfahren bei der VG Wort tatsächlich hätten, hat die Uni Osnabrück in einem Pilotprojekt ein Semester lang getestet. Demnach scheuten viele Dozenten den großen Aufwand und überließen den Studierenden die Literaturbeschaffung. "Knapp zwei Drittel der Studierenden gaben an, dass sich im Semester des Piloteinsatzes der Aufwand für die Literaturbeschaffung erhöht (36 Prozent) bzw. sogar stark erhöht (26 Prozent) hat", schrieben die Projektleiter.
Eine "Katastrophe" für Lehre, Studenten und Serviceabteilungen der Unis befürchtete auch Barbara Rehr, Kanzlerin der THI. An ihrer Hochschule werde man noch in diesem Jahr Schulungen für das wissenschaftliche Personal anbieten, um die rechtliche Lage in Sachen VG Wort zu vermitteln. Immerhin, so Rehr, liefen die Verhandlungen mit der VG Bild-Kunst - quasi die VG Wort für Bilder oder Grafiken - besser. Es sei wahrscheinlich, dass in Skripten verwendete Fotos weiterhin pauschal abgerechnet werden könnten und nicht einzeln gemeldet werden müssten. Möglichkeiten zur Vereinfachung werden geprüft
Die VG Wort reagierte auf die Erkenntnisse des Pilotprojekts in Osnabrück . Sprecherin Angelika Schindel sagte, man führe abstimmende Gespräche mit den Ländern, "um sorgfältig zu prüfen, welche Vereinfachungsmöglichkeiten für das Meldeverfahren zu Intranetnutzungen an Hochschulen gemäß § 52a bestehen".
Inzwischen ist eine Einigung mit der Kultusministerkonferenz zustandegekommen. Im ersten Quartal 2016 das geplante Verfahren für die Erfassung und Meldung der einzelnen, an den Hochschulen vorgenommenen Nutzungen weiterentwickelt werden. Eine Einzelerfassung nach Paragraph 52a Urheberrechtsgesetz wird im kommenden Jahr noch nicht nötig. Nachtrag vom 14. Dezember 2015, 20:30 Uhr
Die Kultusministerkonferenz der Länder und die VG Wort haben sich darauf verständigt, dass Hochschulen im Jahr 2016 noch keine Einzelerfassung der Nutzungen nach Paragraph 52a Urheberrechtsgesetz vornehmen müssen. Das Verfahren für die Verfassung und Meldung der Nutzungen an den Unis soll im 1. Quartal 2016 weiterentwickelt werden. Der Text wurde entsprechend angepasst.