Ein geheimnisvolles Startup mischt die Autowelt auf. Faraday Future gibt bislang nur sehr wenig von sich preis - und schürt damit die wildesten Spekulationen. Nun verrät einer der Gründer erste Details.
Nick Sampson kennt sich aus im Geschäft mit Visionen. Der Ingenieur mit dem markanten britischen Akzent hat einst beim Autobauer Tesla gearbeitet und dort den Elektro-Sportwagen Modell S maßgeblich mit vorangetrieben. Jetzt versuchte er es mit einer neuen Idee: noch gewagter, noch weiter in die Zukunft gedacht. Sampson ist der Mitgründer von Faraday Future, einem Auto-Startup, das bislang nur sehr wenig von sich preis gibt und damit jede Menge Spekulationen schürt.
"Vieles in der Autoindustrie wird sich verändern. Und wir wollen sicherstellen, dass es in die richtige Richtung geht", sagt Sampson im Gespräch mit dem Handelsblatt. Als oberster Ingenieur und Chef der Forschung und Entwicklung ist er der wichtigste Kopf bei Faraday. Wie genau die erste Version des neuartigen Autos aussehen soll, ist geheim. Schließlich ist auch noch vieles im Fluss. Doch an seinen Andeutungen lässt sich erahnen, woran das gut 500 Mitarbeiter große Unternehmen arbeitet. Kein Auto besitzen und trotzdem fahren
"Stellen Sie sich vor, Sie besitzen ein Auto nicht mehr, sondern kaufen nur ein bestimmtes Mobilitätsguthaben pro Monat. Wenn Sie in das Auto einsteigen, ist der Sitz bereits passend für Sie eingestellt, das Radio spielt Ihre Lieblingsmusik und die Luft ist genauso warm oder kalt, wie Sie es gerne hätten", schwärmt Sampson. Das Auto - so viel ist klar - wird wie Tesla einen Elektromotor haben und - ebenfalls wie Tesla - für das autonome Fahren gerüstet sein.
Stückweise soll das Auto selbst die Steuerung übernehmen und irgendwann ganz allein fahren. "Sagen wir, Sie fahren von Los Angeles nach San Francisco, das dauert fünf Stunden, davon steuert das Auto vier Stunden allein. In dieser Zeit können Sie ihre E-Mails bearbeiten, Filme schauen, Bücher lesen", philosophiert der Faraday-Gründer und will damit auch neue Einnahme-Möglichkeiten generieren.
So könnten die Insassen zum Beispiel für Filme bezahlen, die sie im Auto sehen wollen, wenn diese nicht über einen Streaming-Dienst laufen, den sie ohnehin schon abonniert haben. Und dann sind da noch die vielen Daten: "Google macht heute viel Geld mit dem Wissen, wonach die Leute suchen. Stellen Sie sich vor, man könnte diese Informationen mit ihrem Reiseort und Ihren Aktivitäten verbinden", sagt Sampson. Das Auto reserviert das Hotel selbst
"Für Starbucks wäre es gut zu wissen, wer zu welcher Zeit auf welchen Straßen unterwegs ist. So könnte das Unternehmen bestimmen, an welcher Straßenecke eine Filiale den meisten Sinn machen würde." Auch soll das Auto dem Fahrer seinen Vorlieben gemäß Vorschläge machen. Steuert der Nutzer das Faraday-Fahrzeug in die Nähe eines favorisierten Restaurants oder Coffee-Shops, wird dieser benachrichtigt. Braucht der Fahrer ein Hotel? Das Auto könnte automatisch eines reservieren.
Ein neues Geschäftsmodell ist wichtig für den Erfolg des Projektes. Zwar sollen Kunden ein Faraday-Auto auch komplett kaufen können, doch wenn ein Großteil der Nutzer das Auto nur nach Bedarf nutzt, müssen die Umsätze permanent fließen - anders als bei den traditionellen Autobauern, wo der die Beziehung mit dem Kunden nach dem Kauf weitgehend abgeschlossen ist.
Neue Fabrik für eine Milliarde Dollar
In einer Industriehalle im Süden von Los Angeles arbeitet Faraday Future an dem elektrischen Zukunftsauto. Früher wurde die Halle vom japanischen Autokonzern Nissan als Forschungs- und Entwicklungszentrum genutzt. Heute herrscht Startup-Atmosphäre und Aufbruchsstimmung. Im Büro des Personalchefs hängt eine große Tafel, auf der täglich die Zahl der neuen Mitarbeiter nach oben korrigiert wird. Über 500 sollen es bis Ende des Jahres werden, und sobald die Produktion losgeht, noch einmal deutlich mehr. Sampson ist längst nicht der einzige ehemalige Tesla-Ingenieur. Doch auch von den deutschen Luxus-Autobauern Audi und BMW hat Faraday Mitarbeiter abgeworben, ebenso wie vom Streaming-Dienst Hulu und aus der Luftfahrt- und Medizintechnikbranche.
"Wir brauchen nicht nur Auto-Experten. Wir suchen eine gute Mischung an Leuten aus ganz verschiedenen Bereichen, um etwas Neues zu schaffen", sagt Samspon. Chef-Designer Richard Kim hat zuvor bei BMW die Elektro-Autos i3 und i8 mitgestaltet. Ein Faraday-Testfahrzeug ist bereits auf den Straßen unterwegs. Wer der Chef von Faraday Future ist, wird ebenfalls geheim gehalten. Keine Details über Geldgeber
In der Auto-Welt wird eifrig spekuliert: Könnte Faraday Future in Wahrheit das Auto-Projekt von Apple sein? Oder ist es der chinesische Milliardär Jia Yueting, der die chinesische Version des Streaming-Dienstes Netflix, LeTV, leitet und bereits Ambitionen für den elektrischen Automarkt angekündigt hat? "Wir haben eine breit angelegte Strategie, was unsere Finanzierungswege betrifft. Aber im Moment können wir keine Details über unsere Geldgeber preisgeben", sagt Sampson. Er winkt ab. "Wir haben ja zum Glück andere, interessante Dinge, über die wir reden können, statt uns mit solch langweiligen Themen aufzuhalten." Seine Kassen sind üppig gefüllt. Eine Milliarde Dollar wird Faraday in ein amerikanisches Autowerk investieren. Vergangene Woche gab das Unternehmen den Ort bekannt: Im Norden von Las Vegas, im Bundesstaat Nevada soll die Fabrik gebaut werden, die 4.500 Mitarbeiter beschäftigen wird. In Nevada baut Tesla-Chef Elon Musk gerade seine Batterie-Fabrik Gigafactory. Ein erster Faraday-Prototyp soll auf der Consumer Electronics Messe im Januar in Las Vegas vorgestellt werden. Beobachtet von der Konkurrenz
Yueting wäre nicht der erste chinesische Investor, der Geld in Elektroautos steckt. Atieva, ein anderes kalifornisches Elektroauto-Startup, das vom ehemaligen Tesla-Manager Bernard Tse gegründet wurde, arbeitet eng mit dem staatlichen chinesischen Autohersteller BAIC zusammen. Fisker wurde vom chinesischen Zulieferer Wanxiang übernommen und firmiert nun als Karma Automotive.
Die traditionelle Autobranche beobachtet die Entwicklungen genau. "Wir sprechen viel über Faraday Future", verriet Audis Amerika-Chef Scott Keogh im Handelsblatt-Inverview. Sollte es ihnen gelingen, tatsächlich ein Auto auf den Markt zu bringen, "dann werden sie auch ein Konkurrent werden".