Es war eine Premiere: eine schwarze, geflüchtete Frau, die erklärtermaßen kein Nerd ist, hielt die Keynote des diesjährigen Hacker-Kongresses 32C3 in Hamburg. Sie forderte mehr Bildung, mehr Internetzugang und mehr Liebe für alle.
Der erste ICE, den sie in Deutschland besteigen wollte, fuhr weg, weil sie nicht wusste, wie sie die Tür öffnen konnte. Beim nächsten Zug schaute sie sich ab, wie es geht. Die aus Somalia über Kenia nach Deutschland geflohene Fatuma Afrah schilderte den versammelten Nerds auf dem 32. Chaos Communication Congress am Sonntag in Hamburg auf eindrückliche Art und Weise, wie viele Gated Communities - so das Motto des diesjährigen Hackerkongresses - existieren. Dabei nehmen viele Menschen diese geschlossenen Gemeinschaften überhaupt nicht wahr.
Eines Tages, sagte die Somalierin, werde sie selbst eine Hackerin sein. Sie appellierte an die Anwesenden, selbst aktiv zu werden: "Gated communities sind überall - aber wir alle tragen die Schlüssel für die Käfige in unseren Taschen und in unseren Herzen." Gesellschaftlicher Wandel sei eine kollektive Aufgabe, die nicht nur von einer Gruppe zu erledigen sei. Hacker könnten dabei eine wichtige Rolle spielen, aber: "Viele IT-Experten hängen mit dem Kopf über ihrer Tastatur. Sorry, aber hebt ihn hoch und nehmt die Welt um euch herum wahr!", sagte sie in ihrer Rede. Doch viele Hacker seien auch hilfsbereit - und würden gerne bei IT-Problemen helfen. Viele Plattformen können nicht miteinander kommunizieren
Afrah schilderte in der einstündigen Eröffnungsveranstaltung vor allem ihre eigenen Erfahrungen mit Grenzen, Flucht und Selbstverwirklichung. In der Erstaufnahmeeinrichtung im brandenburgischen Eisenhüttenstadt sei sie mit bis zu zehn Menschen in einem Zimmer untergebracht gewesen. Doch keiner habe die Sprache des anderen gesprochen. Außerdem sei es nicht erlaubt gewesen, die Einrichtung zu verlassen. Der Bezug zur IT ist offensichtlich. Viele Plattformen existieren nebeneinander, ermöglichen jedoch keinen Austausch untereinander. Facebook-Nutzer können nicht direkt mit Twitter-Nutzern kommunizieren und auch Whatsapp und Signal sprechen nicht miteinander. Neuankömmlinge willkommen heißen
Sie plädierte dafür, den Begriff "Flüchtling" aus dem Wortschatz zu streichen und lieber den Begriff "Neuankömmling" zu wählen. Hier sei es auch an den Hackern, Neuankömmlinge in ihrer Mitte willkommen zu heißen, Hürden abzubauen und anderen Menschen zu ermöglichen, sich selbst zu verwirklichen. Das sei bislang in Deutschland ein Problem für sie, sagte sie. Als sie sich noch im Flüchtlingslager Dadaab in Kenia aufhielt, konnte sie dort arbeiten und ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen - in der Kinder- und Jugendarbeit. Dadaab ist eines der größten Flüchtlingslager der Welt und beherbergt mehr als 300.000 Menschen. Eine Arbeit aufzunehmen, sei ihr in Deutschland nach wie vor unmöglich. Dabei wolle sie der Gemeinschaft nicht zur Last fallen und ihren Lebensunterhalt verdienen.
Das Wort "Rassismus" wollte sie ebenfalls nicht verwenden. Ausländerfeindliche Übergriffe seien immer von einem Mangel an Informationen motiviert. Und natürlich könne sie verstehen, dass arme Menschen in Deutschland auch Angst hätten vor den vielen Neuankömmlingen. Gerade deshalb sei es aber wichtig, Grenzen abzubauen.
"Welchen Wandel willst du bewirken?"
Sie überließ es weitgehend den Anwesenden, ihre eigenen Schlüsse aus dem Gesagten zu ziehen und es auf die Probleme der Community zu übertragen. Ganz am Ende appellierte sie an die Zuhörer, sich zu fragen, was sie sich denn von der Hacker-Community wünschen würden, und welchen Wandel sie jeweils bewirken wollen. Einen ganz konkreten Wunsch äußerte sie selbst: mehr Internet in Flüchtlingsheimen. Dafür bedankte sie sich bei den zahlreichen Initiativen aus dem Freifunk-Umfeld. Doch leider gebe es noch keine flächendeckende Versorgung.