Instant Payment und Multikontenabfragen: Was alteingesessene Banken nicht schaffen, kriegen Fintech-Startups hin. Banken müssen umdenken.
Gründen, Finanzrunden, Exit: Beinahe täglich werden neue Fintechs gegründet und andere verschwinden wieder oder werden aufgekauft. Eine aktuelle Übersicht von Fintech-Startups hat Blogger André M. Bajorat auf seiner Seite http://www.paymentandbanking.com zusammengestellt, die er regelmäßig aktualisiert. Auch wenn es nicht alle Fintechs schaffen, bringen die jungen Startups mit neuen Ideen Bewegung in den Finanzmarkt. Das setzt alteingesessene Banken unter Druck. Fintechs machen das Zahlungswesen modern
Fintech-Startups sind derzeit dabei, beinahe in jedem Bereich Banken etwas vom Geschäft wegzunehmen: vom Girokonto mit einem kompletten Onboarding-Prozess auf dem Smartphone wie bei Number 26 über die Geldanlage mit einer Beratung durch Roboter wie bei Vamoo oder Peer-to-peer-Krediten bis zum klassischen Zahlungsverkehr. Beinahe jede Dienstleistung der Banken wird von Fintechs aufgegriffen, die Prozesse für Kunden werden optimiert und daraus wird dann ein Geschäftsmodell entwickelt. Aber auch im reinen Business-to-Business-Umfeld gibt es einige Fintechs. Das derzeit erfolgreichste, die Devisenplattform 360T, wurde vor kurzem für 725 Millionen Euro von der Deutschen Börse gekauft.
Auch beim Onlinebanking haben Fintechs sehr früh erkannt, was einem Kunden bei seiner Bank fehlen könnte. Hat der Kunde mehrere Konten, so muss er sich mühsam überall einloggen, um einen Überblick über seine Finanzen zu erhalten. Die Entwickler von Mint, einem US-amerikanischen Fintech, hatten das schon 2009 als störend empfunden. Mit Mint konnten die Nutzer die Daten verschiedener Konten und Kreditkarten einlesen und sich so einen besseren Überblick über die Finanzen bilden. Das Konzept von Mint war wegweisend
Die Salden der Konten wurden zudem nicht in einer Tabelle aufbereitet, sondern in ansprechenden Kuchengrafiken - keine Revolution, jedoch eine kleine und feine Detailänderung im Umgang mit einem oder mehreren Konten. Das ist eigentlich nichts, was Banken nicht auch schon vor zehn Jahren hätten anbieten können. Mint war jedoch wegweisend für die im vergangenen Jahr in der Dach-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) gestarteten PFM-Dienste (Personal Finance Management) bei diversen Banken.
Doch die sogenannte Multibankfähigkeit, also die Möglichkeit für den Sparkassenkunden, auch den Saldo des Volksbankkontos einzulesen, fehlt noch bei den meisten Angeboten. Instant Payment fehlt den großen Bankhäusern
Eines der größten und erfolgreichsten Fintech-Unternehmen ist übrigens Paypal. Zusatzleistungen wie ein integrierter Käuferschutz erweitern das herkömmliche Geldüberweisen und schaffen einen Mehrwert für Zahlungsempfänger und Sender. Bei Paypal werden beide Seiten in Echtzeit über den erfolgreichen Geldtransfer informiert. Instant Payment nennt sich das und wird von vielen Banken nicht angeboten. Der Ausleseprozess ist hart
Finanzexperten sehen zwar eine positive Zukunft für junge Fintechs, es gibt aber bestimmt nicht für alle Mobile-Payment-Lösungen oder für jeden Anbieter einer Crowdfunding-Plattform irgendwann einen dreistelligen Millionen-Exit. So gibt es in der Liste von André M. Bajorat bereits einige Fintechs nicht mehr. Ein von der Otto-Gruppe mit rund 100 Millionen finanziertes Fintech ist zum Beispiel erst vor wenigen Wochen eingestellt worden. Yapital hat die Erwartungen nicht erfüllt. Ob das am Zeitpunkt, an mangelndem Kapital oder dem eigentlichen Geschäftsmodell lag, ist reine Spekulation. Fakt ist: Es wird einen harten Ausleseprozess bei den jungen Fintechs geben.
Bei den etablierten Fintechs wie Paypal oder Wirecard, die bereits seit langem mit einer eigenen Banklizenz ausgestattet sind, sieht es besser aus. Diese Fintechs sind gut gerüstet, auch den Anforderungen der Märkte von morgen gerecht werden zu können.
Der Kunde entscheidet
Der wichtigste Schlüsselfaktor wird der Kunde sein. Will er wirklich seine Finanzthemen auf mehrere Fintechs verteilen, wenn ihm heute schon mehrere Bankkonten nicht bequem genug erscheinen? Oder werden sich Fintechs zu einem Unternehmen zusammenschließen und unter einem Dach unterschiedliche Leistungen anbieten? Wirecard unterstützt als Bankendienstleister mehrere Fintechs mit einer Art White-Label-Banking. Fintechs, wie Number 26 liefern die Innovation, Wirecard das Know-how in Regulatorik und Bankprozessen. Auch die BIW Bank in Willich oder die Sutor-Bank in Hamburg bieten Fintechs einen solchen Service an.
Auch andere Banken erwachen langsam. Neben etlichen Kooperationen zwischen Fintechs und Banken hat die Deutsche Bank erst in der letzten Woche ein eigenes Robot-Advisory an den Start gebracht. Was so aussieht, als würde sich die Bank selbst abschaffen, verhindert, dass Kunden, die diesen Service in Anspruch nehmen wollen, zur Konkurrenz gehen. Die Banken müssen sich ranhalten
Ein Risiko für Fintechs bleibt. Auch wenn über die Trägheit der Banken gerne gespottet wird: Wenn Banken es schaffen, der Innovationsträgheit zu entfliehen, dann könnte es für das eine oder andere Fintech-Unternehmen eng werden.
Kapitalausstattung und Kundenreichweite sind derzeit die Domänen der Banken. Zwar gibt es für einige wenige Fintechs bereits hohe Bewertungen und große Finanzierungssummen zumeist aus den USA (Kreditech oder Zencap), doch in der Breite fehlt es vor allem an Finanzierungszusagen, um aus der Seedphase herauszukommen.
Inwieweit die Banken ihr Vertrauen gegenüber Kunden verspielt haben und diese sich nun nach und nach den neuen Angeboten der Fintechs zuwenden, wird sich zeigen. Der Markt ist in allen Finanzbereichen riesig. Jeder hat ein Konto, jeder, der Geld hat, hat eine Anlage und jeder, der Geld braucht, wird sich einen Kredit nehmen. Es wird also in allen Bereichen zu einem Verdrängungswettbewerb kommen, in dem man einen trägen und bequemen Kunden für seine Idee gewinnen muss. Das ist eine große Herausforderung für die Fintechs.