Ungarn hat mit einem Anti-Terror-Gesetz gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Zu diesem Schluss ist nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gekommen und übt heftige Kritik an den Bestimmungen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat geurteilt, dass Ungarn mit einem Überwachungsgesetz gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hat. Das Anti-Terror-Gesetz war 2011 in Kraft getreten und hatte unter anderem heimliche Hausdurchsuchungen, Brieföffnungen und die Überwachung elektronischer Kommunikation ermöglicht. Weil davon jeder in Ungarn betroffen sein könnte, das Prozedere vollkommen in der Hand der Exekutive liege und keine Korrekturmöglichkeiten vorgesehen seien, habe das Land damit gegen Artikel 8 der Menschenrechtskonvention verstoßen. Überwachung ohne Kontrolle
Wie das Gericht ausführt, kann durch das Gesetz praktisch jede Person oder Personengruppe in Ungarn überwacht werden. Die Behörden müssten dem zuständigen Minister lediglich den Namen eines Individuums oder einer "Reihe von Personen" als Überwachungsziel nennen. Deren wirkliche oder auch nur angenommene Beziehung zu einer terroristischen Gefahr müsste nicht genannt werden. Es reiche demnach schon aus, wenn die Anti-Terror-Behörde behauptet, dass die Überwachung notwendig sei. Weiter untermauert werden müsse das nicht. Das allein biete genug Raum für den Missbrauch.
Weiterhin kritisieren die Richter aber, dass aus dem Gesetz nicht hervorgehe, ob die 90-tägige Überwachungserlaubnis nur einmal oder mehrmals verlängert werden darf. Darüber hinaus sei keine Kontrolle aus einer anderen der drei Gewalten vorgesehen. Bestenfalls wäre das die Judikative, aber eine richterliche Kontrolle der Überwachung werde nicht festgeschrieben. Auch das Parlament müsse nicht informiert werden. Genauso sei auch nicht vorgesehen, dass die Überwachten im Nachhinein davon erfahren. Sobald dadurch keine Gefahr mehr drohe, müsse das geschehen, fordern die Richter. Rechtsmittel noch möglich
Das ungarische Überwachungsgesetz war im Januar 2011 genau zu jener Zeit in Kraft getreten, als in dem Land heftig über ein neues Mediengesetz diskutiert wurde. Auch aus der EU gab es damals viel Kritik an dem Kurs der neuen Regierung von Viktor Orbán. Gegen das Überwachungsgesetz geklagt hatten schließlich zwei Ungarn, die damals für eine regierungskritische Nichtregierungsorganisation arbeiteten. Nach ihrem juristischen Erfolg hat Ungarn nun noch die Möglichkeit, die Entscheidung des Gerichtshof anzufechten und eine Entscheidung der Großen Kammer zu beantragen.
[Update 13.01.2016 – 14:55 Uhr] Anders als es zuerst in der Meldung stand, ging es in der Entscheidung um Artikel 8 der Menschenrechtskonvention. Das wurde korrigiert.