Nach der Analyse von BMW-Modellen zeigt sich der ADAC besorgt über die Datenerfassung und -kommunikation von Autos. Die große Koalition fordert ebenfalls die Autonomie der Autofahrer, aber mit Einschränkungen.
In der Debatte um die Datenübertragung vernetzter Autos fordert der Automobilclub ADAC eine möglichst große Autonomie der Autofahrer. "Bis auf die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Datenverwendung muss der Fahrzeugbesitzer die Datenverarbeitung und -weiterleitung unkompliziert abschalten können, soweit diese nicht zwingend für den Betrieb erforderlich ist", heißt es in einer 13-seitigen ADAC-Studie, die Golem.de vorliegt. Der Automobilclub hatte am Beispiel von zwei BMW-Modellen getestet, welche Daten in aktuellen Autos erhoben, gespeichert und gesendet werden. Für die Studie untersuchte der ADAC einen BMW 320d sowie einen i3. Dabei fielen den Testern beim 320d zahlreiche gespeicherte Daten auf, "deren Verwendung mit dem Hersteller diskutiert werden sollte, im Interesse des Verbraucherschutzes". Dazu zählten unter anderem die Maximaldrehzahl des Motors mit jeweiligem Kilometerstand, die Zahl der Verstellvorgänge des elektrischen Fahrersitzes, die Anzahl der eingelegten Medien des CD-/DVD-Laufwerks sowie die Zahl der elektromotorischen Gurtstraffungen beispielsweise nach starken Bremsvorgängen. Nach Ansicht der Tester erlauben mehrere der "auffälligen" Daten einen Rückschluss auf den Fahrstil des Fahrers. Daten könnten gegen Fahrer eingesetzt werden
Beim i3 stellte der ADAC fest, dass die Autos nach jedem Ausschalten der Zündung und dem Absperren des Fahrzeuges einen sogenannten Last State Call an BMW übermitteln. Darin finden sich unter anderem der Inhalt des Fehlerspeichers, die Orte, an denen in andere Verkehrsmittel wie Bus und Bahn umgestiegen wurde, die Position der 16 zuvor benutzten Ladestationen sowie zahlreiche weitere Daten über Ladevorgänge. Die rund 100 letzten Abstellpositionen des Fahrzeuges ließen sich aus dem Steuergerät auslesen.
Problematisch könnten für den Autobesitzer dabei die Daten des Fehlerspeichers sein. Dessen Inhalte würden über einen Connected-Drive-Dienst zum BMW-Backend übertragen, um eine Ferndiagnose des Fahrzeugs zu ermöglichen. "Je nach gespeichertem Fehler wird damit auch ein nicht ordnungsgemäßer Umgang des Fahrers mit dem Fahrzeug dokumentiert", schreibt der ADAC. Beispielsweise bei zu hoher Motortemperatur oder Drehzahl. Auto-Daten-Liste für jedes Modell
Der ADAC monierte in der Studie, dass es außerhalb der Fahrzeugindustrie fast kein Wissen darüber gebe, welche Daten in Autos erzeugt, verarbeitet, gespeichert und gesendet würden. Die vorgenommene Untersuchung sollte daher erste Erkenntnisse dazu gewinnen. Eine vollständige Analyse aller Steuergeräte eines Fahrzeugs sei mit dem vorgegebenden Budget jedoch nicht möglich gewesen "und würde nach jetziger Einschätzung mehrere Mann-Jahre Aufwand erfordern".
Als Konsequenz aus der Studie fordert der Automobilclub, dass Automobilhersteller für jedes Modell eine Auflistung aller im Fahrzeug erhobenen, verarbeiteten, gespeicherten und extern übermittelten Daten öffentlich anbieten müssten. Diese "Auto-Daten-Liste" müsse für den Verbraucher mit vertretbarem Aufwand einsehbar sein. Zudem müssten Fahrzeugbesitzer, freie Werkstätten und Pannenhelfer freien Lesezugang zu allen Daten im Fahrzeug haben.
Assistenzsysteme könnten verpflichtend werden
Auf Anfrage von Zeit Online wollte BMW nicht mitteilen, warum so viele Daten und Informationen über seine Kunden gesammelt und wofür sie genutzt würden. Man beachte die gesetzlichen Bestimmungen und habe mit jedem Kunden einen Vertrag über die Datennutzung geschlossen, sagte die Pressestelle dem Online-Medium. Den Wortlaut dieser Vereinbarung habe BMW trotz mehrmaliger Nachfrage nicht preisgeben wollen. Auf Anfrage von Golem.de hatte BMW in einem anderen Zusammenhang mitgeteilt, dass ein durchschnittliches Fahrzeug zwischen 20 und 30 MByte an Daten pro Monat übertrage. Unterstützung für seine Forderungen könnte der ADAC von der großen Koalition erhalten. Die Bundestagsfraktionen von Union und SPD beschlossen Ende Januar einen Antrag, wonach "Fahrzeughalter selbst entscheiden dürfen, wer Zugriff auf ihre personenbezogenen Daten hat". Die Möglichkeit, die Datenübermittlung jederzeit einfach ein- und ausschalten zu können, solle sich auf sämtliche Daten beziehen, stellten Union und SPD auf Nachfrage von Golem.de klar. Die SPD machte jedoch in ihrer Antwort zugleich eine Einschränkung geltend: "Um den Nutzen des hochautomatisierten Fahrens effektiv einsetzen zu können, unter anderem mit dem Ziel der deutlichen Reduzierung von Unfällen im Straßenverkehr und der Verringerung des CO2-Ausstoßes, wird es irgendwann zur verpflichtenden Einführung gewisser Assistenzsysteme kommen." Auch die Union plädiert dafür, dass die Übertragung sicherheitsrelevanter Daten nicht deaktiviert werden darf. Fahrer bezahlen mit ihren Daten
Solche Assistenzsysteme bietet Daimler in seiner neuen E-Klasse bereits an. Die Autos senden dabei alle paar Minuten pseudonymisiert ihren Standort an die Zentrale. Besondere Vorkommnisse wie das Auslösen eines Airbags werden ebenfalls gemeldet. Dann erhalten alle Fahrzeuge, die sich im Umkreis des Unfallortes befinden, einen optischen Warnhinweis. Sollten solche System ebenso wie E-Call oder die Warnung vor Geisterfahrern irgendwann verpflichtend werden, könnten die Autofahrer die Datenübertragung nicht mehr deaktivieren.
Derzeit will die große Mehrheit der Autofahrer (91 Prozent) die Kontrolle über ihre Fahrzeugdaten behalten. Wie das Beispiel des BMW i3 zeigt, sind die Fahrer aber durchaus bereit, auf Basis einer wie auch immer gearteten Vereinbarung ihre Daten zu übermitteln. Ob ihnen klar ist, welche Daten übertragen werden, steht auf einem anderen Blatt. Dabei verhält es sich wie bei vielen Diensten im Internet: Wer bestimmte Angebote nutzen möchte, muss häufig auch bereit sein, mit seinen eigenen Daten zu zahlen. Wer vor einem Geisterfahrer in Sekundenschnelle gewarnt werden will, sollte akzeptieren, dass sein eigenes Auto an eine Verkehrsleitzentrale meldet, wenn der Fahrer selbst die falsche Auffahrt genommen hat.
Der ADAC fordert für die Deaktivierung der Daten nun eine Art Schlüsselschalter, wie er beispielsweise für die Aktivierung des Beifahrer-Airbags üblich ist. Eine solche unkomplizierte Möglichkeit wäre sicherlich sinnvoll. Dazu sollten die Autofahrer aber zunächst einmal wissen, welche Daten ihre Fahrzeuge überhaupt übertragen. Falls die Autohersteller ihre Karten dabei nicht offenlegen, nährt dies den Verdacht, dass sie mehr Daten übertragen, als es aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich ist. Für eine Akzeptanz des vernetzten Fahrens wäre das nicht gerade förderlich.