Die Opposition hält Berichte von BND-Verantwortlichen, dass sie die Behördenspitze und das Kanzleramt nicht über die brisanten NSA-Spionageziele informiert hätten, für unglaubwürdig. Auch der SPD scheint noch nicht alles schlüssig.
Die Obleute der Opposition im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags haben nach der Vernehmung mehrerer Zeugen vom BND schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung erhoben. In den Sitzungen ging es um den Umgang mit absprache- und rechtswidrigen Selektoren im Rahmen der Kooperation mit der NSA. Die Bundesregierung erfülle nicht ihre gesetzliche Verpflichtung, "das Parlament umfassend zu informieren", wetterte der Grüne Konstantin von Notz danach. Es seien weitere Zweifel an der Behauptung entstanden, dass nicht einmal BND-Präsident Gerhard Schindler von dem Skandal gewusst habe. Dass das Bundeskanzleramt nichts tue, um die bestehenden Verdachtsmomente auszuräumen, sei "politischer Wahnsinn". "Kein Interesse" an Aufklärung
An echter Aufklärung habe die Regierungsspitze noch immer kein Interesse, monierte von Notz. So hätten die Ausschussmitglieder die Listen mit Zielvorgaben, die der BND von der NSA bekomme, nach wie vor nicht erhalten. Zudem interveniere das Kanzleramt bei jeder relevanten Frage an die Zeugen und halte diese von klaren Antworten ab: "Es wird weiter gemauert und vernebelt." Dass der Auslandsgeheimdienst unter den derzeitigen Umständen keine Selektoren der NSA zum Auswerten des Internetverkehrs mehr einsetze und eine Prüfgruppe berufen habe, bezeichnete der Grüne als reine "Aufräumarbeiten". "Es bestehen Dienstvorschriften im Amt zum Melden", ergänzte Martina Renner von den Linken. Es sei daher unwahrscheinlich, dass der Unterabteilungsleiter, der im August 2013 eine Sonderprüfung der gesamten Zielvorgaben der NSA für den Horchposten in Bad Aibling in Auftrag gab, die brenzligen Funde nicht zumindest mündlich "an die Spitze gegeben hat". Renner zeigte sich daher "sehr enttäuscht", dass Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zwei von der Opposition für kommende Woche geplante Sondersitzungen des Gremiums nicht genehmigte. Linke und Grüne wollten dabei unter anderem Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hören, beides ehemalige Kanzleramtsminister. "Keine Dringlichkeit"
Es sei "keine Dringlichkeit gegeben", zeigte die Obfrau der CDU/CSU-Fraktion, Nina Warken, Verständnis für Lammerts Entscheidung. "Die Zeugen laufen uns nicht davon." Die beiden Minister kämen auf jeden Fall noch in den Ausschuss, möglichst vor der Sommerpause. SPD-Obmann Christian Flisek betonte, dass es sich nicht um eine Verzögerungstaktik handle. Es werde an der "bewährten Strategie" festgehalten, "von unten nach oben zu fragen" und mit den operativ tätigen Mitarbeitern anzufangen. Auch ihm erschien aber einiges bei den Zeugenaussagen zu den rechtswidrigen Selektoren und den Umgang damit "nicht schlüssig".
Der Experte, der die umfangreiche Gesamtdatei der NSA-Selektoren 2013 erstmals genauer untersuchte, hatte erklärt, die "problematischen" Selektoren zufällig gefunden zu haben. Die Suche sei zunächst nicht darauf angelegt gewesen: "Ich hatte nicht die Rechte, auf so etwas zu stoßen", sagte der unter "Dr. T." firmierende BND-Mitarbeiter. Nach den ersten Funden, die ihm "politisch sensibel" vorgekommen seien, habe er den zuständigen Unterabteilungsleiter "D. B." informiert. Dieser habe ihn eigentlich nur damit beauftragt gehabt, die Kennungen nach "technischen Gesichtspunkten" und verschiedenen Kommunikationsmitteln zu sortieren. Er habe die Suche dann "nach eigenem Ermessen ausgeweitet". Insgesamt sei er auf 2000 ungehörige Merkmale gestoßen. Inkriminierende Selektoren gelöscht
Dass D. B. die schwarze Liste nur in Papierform an Bad Aibling weitergeleitet habe, bezeichnete Dr. T. nicht als Problem: "Es war nicht erforderlich, jeden einzelnen Selektor händisch zu entfernen." Die Ergebnisse hätten eine gewisse Struktur gehabt, die es der Außenstelle ermöglicht habe, die Zielvorgaben automatisch danach zu durchsuchen. Für die Analyse habe er sich einen leistungsfähigeren Rechner besorgt, da sein Gerät die Datenmengen "nicht bearbeiten konnte". Der schnelle Computer sei ihm leihweise überlassen worden, Anfang des Jahres habe er ihn wegen einer Inventur zurückgegeben. Die Datei mit den gebrandmarkten Kennungen habe er schon vorab gelöscht gehabt: "Nach dem Abschluss der Untersuchungen hatte ich nicht gedacht, dass diese noch einmal zu brauchen sei.